Kinder und Tiere
von Anke Wolf
Referat zum Thema "Tiergestützte Therapie"
anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins "Tiere helfen Menschen, e.V." in Würzburg, 1997
Jeden Mittwoch nachmittag besucht Elektra, eine dreieinhalbjährige Golden Retriever Hündin, mit mir die Internatsgruppe 3,
einer betreuten Wohngruppe von körperbehinderten Kinder in Coburg. Die Freude ist auf beiden Seiten riesengroß, Elektra kennt inzwischen den Weg und läuft schwanzwedelnd in den Aufenthaltsraum, mit einem auffordernden Beller, so als ob sie sagen wollte: "Ich bin jetzt da, ihr könnt euch um mich kümmern".
Die Kinder warten schon oft am Fenster, selbst Friedemann, der anfänglich in Panik verfiel und auf den Tisch sprang, wenn er einen Hund sah, läßt Elektra schon dicht an sich herankommen und beobachtet sie interessiert.
Nun ist erst einmal Streicheln angesagt. Elektra wird von allen Kindern kräftig "durchgeknuddelt".
Kommt ein Kind nicht zu ihr herunter, weil es fest im Rollstuhl sitzt, legt sie vorsichtig ihre Pfoten auf seine Kniee, selbst die Kinder, die in ihrer Bewegung sehr eingeschränkt sind, haben die Möglichkeit ihr warmes, weiches Fell zu spüren.
Aber oft wollen die Kinder aus ihren Rollstühlen heraus. Ihnen wird geholfen, sich auf den Boden zu setzen und sich ausgiebig mit dem Hund zu beschäftigen.
Nicht selten befinden sich sieben verschiedene Händepaare auf Elektra, die sie alle gleichzeitig bearbeiten, und sie genießt dies sichtlich.
Angefangen hat der Besuchsdienst mit Ayleena, einer vier Jahre alten Golden Retriever Hündin. Meistens lag sie bei den Besuchen auf dem Rücken und ließ sich genüßlich den Bauch kraulen. Sie merkte sofort, wenn ein Kind aufhörte und animierte es zum Weiterstreicheln.
Im Oktober 1997 stirbt Ayleena ganz plötzlich an einem Herzstillstand. Zwei Monate vorher war Jürgen, ein 16 Jahre alter Junge der
Internatsgruppe 3, gestorben.
Die Kinder der Internatsgruppe, die den Verlust von Jürgen wie auch von Ayleena betrauern, malen mir ein Bild, das Jürgen und Ayleena gemeinsam im Himmel zeigt.
Jürgen im Rollstuhl führt Ayleena aus, Elektra läuft hinterher. Dazu die lieb gemeinte Bitte, die Kinder der Wohngruppe auch weiterhin zu besuchen.
Seitdem ist Elektra der "Streichelhund".
Wenn es das Wetter zuläßt, gehen wir mit den Kindern zusammen im Hofgarten spazieren.
Die Kinder wechseln sich beim Führen mit der Leine ab und selbst am Rollstuhl läuft Elektra schon gut mit. Auf einer bestimmten Wiese ist dann Ballspielen angesagt. Jedes Kind einzeln ruft Elektra zu sich, wirft den Ball, versteckt ihn oder fährt mit dem Rollstuhl und Ball ein Stück davon.
Auf Kommando des jeweiligen Kindes holt der Hund den Ball, welches für beide Parteien ein großer Spaß ist.
Eine andere Alternative bei schlechtem Wetter ist das Verstecken eines Dummies innerhalb der Gruppenräume. Elektra wartet vor der Tür, während ein Kind das Dummy versteckt. Oft geschieht dies unter großer Anstrengung, da die Kinder natürlich immer ein besonders schwieriges Versteck suchen und auch versuchen, sich ohne Rollstuhl fortzubewegen.
Elektra warter geduldig, bis sie dann gerufen wird und suchen darf. Begeistert bringt sie das Dummy zu dem jeweiligen Kind und erntet dort viel Lob.
Am Ende der Besuchszeit bekommt Elektra von jedem Kind ein "Abschiedsleckerlie".
Inzwischen kommt auch manchmal Bronwynn, meine sieben Monate alte Flat-Coated-Retriever Hündin mit in die Internatsgruppe.
Zwar ist sie noch nicht so ausdauernd beim "Gestreicheltwerden", aber durch ihr jugendliches Temperament bringt sie die Kinder immer zum Lachen.
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