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Leben mit Tieren
- Tiergestützte Therapie
- Möglichkeiten der Tierhaltung in Alten- und Pflegeheimen sowie in gerontologischen und gerontopsychiatrischen Krankenhäusern

von C. Große-Siestrup

Referat zum Thema "Tiergestützte Therapie"
anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins "Tiere helfen Menschen, e.V." in Würzburg, 1997

 

 

Leben mit Tieren ist seit vielen Jahrhunderten bei uns eine Selbstverständlichkeit.
Leben mit Nutztieren wie Schafen, Ziegen, Rindern und Schweinen wurde schon selbstverständlich im Neolithikum, etwa 500 Jahre vor Christus. Leben mit Eseln wird schon in der Krippe in Bethlehem anschaulich demonstriert und war wohl eine Selbstverständlichkeit seit der Domestizierung des Esels in prähistorischer Zeit.

 

Mit zu den ältesten "Haustieren" gehört aber auch der Hund. Obwohl er ja ein Nahrungskonkurrent des Menschen ist, soll seine Domestikation bereits vor 12000 Jahren angefangen haben (Poduschka 1983).

 

Die Entwicklung und Erhaltung von Kompetenz (Olbrich 1989) in der Menschheits- geschichte ist eng mit dem Tier verbunden; mit dem Tier das man ißt und nutzt und mit dem Tier mit dem man spielt und das einem als Individuum mit "Du-Evidenz" nahe steht und das man deshalb nicht ißt.
Dazu gehörte sehr früh schon der Hund, der als Mitgeschöpf in die engere Lebensgemeinschaft des Menschen als Spielgefährte und Beschützer aufgenommen wurde.

 

Heute zeigen Ergebnisse der Verhaltensforschung und der Verhaltensendokrinologie immer deutlicher, daß die Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier auf der emotionalen Ebene sehr groß sind. Ängste und soziale Deprivationen haben beim Menschen, ebenso wie bei einigen höher entwickelten Säugetieren ähnliche, krankmachende Auswirkungen (Holst 1987; Holst 1994).

Die Möglichkeiten der tiergestützten Therapie (Greiffenhagen 1991) beruhen auf diesen Gemeinsamkeiten von Mensch und Tier und von Körper und Seele. Die animalischen Wesen sollen animieren, beseelen, beflügeln und motivieren. Damit sind viele der Kompetenzen betroffen und beeinflußbar, die in den letzten Jahren sehr differenziert als bedeutungsvoll für den alten Menschen beschrieben wurden (Rott und Oswald 1989).

Zunächst ist weniger an eine direkte, körperliche Therapie gedacht, wie etwa bei der Reittherapie für Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparates.

Hier soll vielmehr die Rede sein von der Beteiligung von Tieren bei konventionellen Hilfen und Therapieformen aus dem Bereich der Gesprächs- und Psychotherapie, der Beschäftigungstherapie, der Krankengymnastik, bis hin zur Seelsorge (Gäng 1992; Olbrich et al. 1987; Smet 1983; Smet 1988; Smet 1993).
Die Tiere haben dabei die Aufgabe, Übertragungen zu ermöglichen, eine Entspannung zu bewirken und Ängste vor Kontakten mit Therapeuten und Mitpatienten zu überwinden. Es soll die Rede sein von Angeboten an alte Menschen, durch Tierkontakte und durch über Tiere vermittelte Kontakte mit Menschen, ihre emotionale Kompetenz zu erhalten. Olbrich spricht in diesem Zusammenhang von einer emotionalen Unterstützung, der Mitteilung von positiven Empfindungen, von der Vermittlung von Respekt, Beteiligtsein, Zugehörigkeit, Liebe, Vertrauen, Verständnis (Olbrich 1988).

Der große Anteil von Seele und Psyche bei der Tiergestützten Therapie wie auch bei therapeutischen Gesprächen macht es schwer, ihre physiologisch-medizinische Wirkung wissenschaftlich zu beweisen. Dennoch versuchen immer mehr Therapeuten, Tiere in den therapeutischen Prozeß einzubeziehen.
Es sind häufig Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Beschäftigungs- und Ergotherapeuten, die direkt mit Patienten und alten Menschen in Institutionen arbeiten, die auf die Wirkung der Tiere hoffen und in ihren Fachzeitschriften über Erfolge und Konzepte mit Tieren berichten (Baun et al. 1984; Baun et al. 1991; Carmack 1984; Carmack 1991; Carmack und Fila 1989; Fick 1993; Fila 1991; Fine 1992; Francis et al. 1985 Francis 1991; Gray 1988; Große-Siestrup und Gerngroß-Haas 1991; Haggar 1992; Haggard 1985; Hale 1989; Harker 1984; Harris und Gellin 1992; Hennah 1989; Hibell 1987; Hundley 1991; Manor 1991a; Manor 1991b; Martin 1993; Small 1983; Smith et al. 1992; Smith 1989; Turton 1986; Twiname 1984; Twiname 1985).
Dabei wird oft kein wissenschaftlicher Anspruch erhoben.

Aber auch eine Reihe von Autoren mit wissenschaftlichem Anspruch haben sich mit Tieren in Krankenhäusern und Altenheimen und mit Tieren in der Wohnung von alten Menschen beschäftigt. Bei den Versuchen, die Wirkung der Tiere auf den Menschen zu untersuchen, kann man unterscheiden zwischen vorwiegend psychologischen und gerontologischen Ansätzen (Olbrich 1987; Olbrich 1988), psychiatrischen Ansätzen (Kongable et al. 1989), veterinärmedizinisch-interdisziplinären Arbeiten (Wilson und Netting 1987; Wilson 1991; Wilson und Netting 1983) und Arbeiten mit geriatrischen Methodenspektrum (Gutzmann 1991; Wegner-Hauenstein 1991; Winkler et al. 1989).

Unabhängig von solchen Überlegungen kann man davon ausgehen, daß Tiere zunehmend in Krankenhäusern und Heimen eingesetzt werden. Die Frage, welche Angebote wirklich sinnvoll sind, kann wohl zur Zeit noch nicht beantwortet werden, weil dies noch nicht ausreichend evaluiert wurde. Wohl aber können die Anforderungen beschrieben werden, die von Seiten des Tierschutzes und der Hygiene heute gestellt werden. Deshalb sollen hier die Möglichkeiten beschrieben werden, die sich seit 1988 in Berlin realisieren ließen und mit denen bereits Erfahrungen vorliegen.

Eine Voraussetzung, um Tiere in und an Krankenhäusern und Heimen einsetzen zu können, ist eine Organisation mit Unterstützung durch einen interdisziplinären wissenschaftlichen Beirat. Dabei sollten die Bereiche Psychologie, Psychiatrie, Gerontologie, Geriatrie, öffentliches Gesundheitswesen, Krankenhaushygiene, Pharmakologie, Neuropsychopharmakologie, Verhaltenskunde, Veterinärmedizin und Tierschutz vertreten sein.
Die Organisation muß entsprechend den heutigen Ansprüchen an Hygiene, Tierschutz und Zuverlässigkeit die tierpflegerische und tierärztliche Grundversorgung garantieren, wissenschaftliche Untersuchungen koordinieren und Erfahrungen sammeln und umsetzen. Mit der jeweiligen Leitung, den Ärzten, Psychologen, Therapeuten, dem Pflegepersonal, dem technischen und gärtnerischen Personal, sowie mit den Patienten und Bewohnern der betreuten Einrichtung muß enger Kontakt gehalten werden.
Mit den zuständigen Regierungs- und Verwaltungsstellen des Gesundheitswesens ist eine direkte Zusammenarbeit notwendig. Mit der jeweiligen Ärzte- und Tierärztekammer, aber auch mit dem örtlichen Tierheim, mit dem Zoologischen Garten, mit Tierschutzvereinen, mit Organisationen für Blindenhunde, für Behindertenbegleithunde, aber auch mit Kinderbauernhöfen und verschiedenen Dienstleistungseinrichtungen ist guter Kontakt von Vorteil.

Neben allgemeinen Formen der Heim- und Liebhabertierhaltung (Vögel, Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen und Hunde) für die tiergestützte Therapie sollen hier drei Projekte beschrieben werden, die für die soziale Unterstützung und tiergestützte Therapie konzipiert wurden:

* 1. Mensch-Tier-Begegnungshaus mit Eseln, Ziegen und Schafen
* 2. Kaninchenvilla, Kleingehe für Kaninchen und Meerschweinchen
* 3. Hundebesuchsdienst mit privaten Hundebesitzern

 

1. Das Mensch-Tier-Begegnungshaus
besteht aus einem separaten Gebäude, das im wesentlichen aus einem etwa 25 qm großen, gemütlichen "Wohnzimmer" besteht. Es können bis zu 8 Rollstühle Platz finden. Dieses Zimmer ist beheitzbar und es gibt eine kleine Waschgelegenheit.
Das Mensch-Tier-Begegnungshaus zeichnet sich dadurch aus, daß ein Teil des Raumes für Esel, Ziegen und Schafe zugänglich ist, die von den Patienten angefaßt, gestreichelt und gefüttert werden können.
Die zweite Hälfte des Raumes ist den Menschen vorbehalten. Menschen und Tiere sind durch einen speziellen Zaun voneinander getrennt. Dieser Zaun erlaubt es, den Menschenbereich sauber zu halten, ohne das Anfassen und Sehen der Tiere zu beeinträchtigen.

Das Mensch-Tier-Begegnungshaus ist in der Regel mit einem Grasdach ausgestattet. Ein regengeschützter, terrassenartiger Bereich dient als Kontaktzone außerhalb des Gebäudes. Die Tiere verfügen über eine Weidefläche und über ausreichend Rückzugs-, Futter- und Tränkemöglichkeiten. Es gibt fünf solcher Mensch-Tier-Begegnungshäuser in Berlin, zwei davon an gerontopsychiatrischen Kliniken, eins an einem geriatrischen Krankenhaus und zwei an Altenwohnheimen. In allen Fällen konnten auch Schulklassen und Kindergärten motiviert werden, sich an der Tierbetreuung zu beteiligen und sogar die Patienten bzw. Bewohner aus den Stationen nach draußen zu holen. Es hat sich gezeigt, daß eine neue Identität für das Krankenhaus gewachsen ist, und daß verschiedene Abteilungen des Krankenhauses, wie Gärtner, Techniker, Verwaltungsangestellte und Betreuungspersonal, besser zusammenarbeiten als vorher. So konnten ökologisch wertvolle Gartenabfall-Mist-Kompost-Anlagen gemeinsam errichtet und betrieben werden (Große-Siestrup und Gerngroß-Haas 1991; Gutzmann 1991).

 

2. Die Kaninchenvilla mit Gehege
- ein Ministreichelzoo.

Ein kleiner Garten mit Sitzgelegenheit grenzt an eine etwa 20 qm große Grünfläche, in der eine sogenannte Kaninchenvilla als Unterkunft für eine speziell ausgesuchte Tiergruppe von Kaninchen und Meerschweinchen dient. Dieser Tierbereich und zusätzlich ein Teil des Patientenbereiches sind überdacht, so daß ein Teil des Patientenbereiches als Kontaktbereich dienen kann.
In diesem Kontaktbereich ist es auch für Rollstuhlfahrer möglich, über den niedrigen Zaun die Tiere auf dem erhöhten Sitzbereich ihrer Kaninchen-Villa zu füttern und zu streicheln. Diese Gehege führen zu vermehrten Kontakten zwischen Pflegepersonal und Patienten, zwischen den Patienten untereinander, aber auch zwischen Patienten, Besuchern und Kindern.
Oft sind einzelne oder mehrere Patienten bereit, einen Teil der Tierbetreuung zu übernehmen (Fehrenberg und Große-Siestrup 1993).

 

3. Der Hundebesuchsdienst
ist eine weitere Möglichkeit, Tiere zu Patienten und Heimbewohnern zu bringen. Dabei gehen ausgewählte Hundebesitzer mit ihrem eigenen veterinärmedizinisch - klinisch, parasitologisch und verhaltenskundlich untersuchten Hunden und mit einem Therapeuten in eine etwa fünfköpfige Patientengruppe.
Der Therapeut führt dann seine Gesprächs-, Spiel- oder Bewegungstherapie in Gegenwart des Hundes und des Hundebesitzers durch. Die zweite Möglichkeit ist, daß der Hundebesitzer mit seinem Hund alleine, aber mit begleitender Unterstützung durch Psychologen und Personal in die Patientengruppe geht. Es hat sich gezeigt, daß immer genügend Gesprächsstoff vorhanden ist, und daß der Hundebesitzer oft selbst in der Lage ist, sich mit den Patienten oder Bewohnern auszutauschen und auf der Basis gegenseitigen Kennenlernens und Erlebens auch ohne ständig anwesende Therapeuten auskommt.
Drittens gibt es die Möglichkeit, daß der Hundebesitzer mit Hund, nach ausreichender Einweisung, zu Einzelpatienten ins Zimmer geht und dadurch auch bettlägrige Patienten erreicht und betreuen kann.

In dem nun schon seit fast vier Jahren laufenden Projekt ist in den meisten der zur Zeit 35 Hundebesitzer-Hund-Patientengruppen neben dem Therapeuten auch ein/e Psychologie-Diplomand/in anwesend, der/die die Evaluierung durchführt.
Wichtig bei diesem Projekt ist, daß die Hundebesitzer vorbereitet und begleitet werden. Zu diesem Zweck findet alle 6-8 Wochen ein Treffen aller Hundebesitzer statt, an dem neben den Diplomanden auch die zuständige Tieräztin, eine Psychologin und die Organisatoren anwesend sind. Auf diesem Hundebesitzer-Treffen findet neben dem geselligen Teil auch ein fachlicher Teil statt, in dem Referate gehalten werden und in dem angefallene Probleme, besonders solche mit schwerkranken und dementen Patienten sowie Kritikpunkte erörtert werden.

Auch in diesem Projekt werden selbstverständlich die Krankenhaus- oder Heimleitung und die Stationsleitung von Anfang an beteiligt, ebenso wie der wissenschaftliche Beirat des Vereins, das Psychologische Institut der Freien Universität, Amtsärzte, Amtstierärzte und wenn möglich auch praktische Tierärzte.
Das erste Jahr des Hundebesuchsprogramms wurde ausführlich in einer Diplomarbeit beschrieben. Hier wird auch die Entwicklung der Therapie mit Heimtieren von York Retreat und Bethel und über die Studien von Levinson, Corson, Friedman, Katcher und Beck berichtet. Hinsichtlich des Berliner Hundebesuchsprogramms wird der Schluß gezogen, daß nicht nur Interaktionen der Gruppe über den Hund stattfinden; auch Interaktionen zwischen Hundebesitzern und Bewohnern sind von Bedeutung und zeigen, daß auch die Begleiter eine wichtige Rolle in diesem Programm spielen (Gebhardt 1994).

Die drei vorgestellten Methoden können dazu beitragen, daß die Anwesenheit von Tieren in und an Heimen und Krankenhäusern möglich wird und von allen Beteiligten und der Aufsichtsbehörde akzeptiert wird.
Dadurch kann, über eine Streichelzoowirkung hinaus, tiergestützte Therapie durchgeführt und weiterentwickelt werden. Das Hundebesuchsprogramm hat den besonderen Vorteil, daß Menschen von "draußen" mit Menschen von "drinnen" zusammengebracht werden können.

 

 


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