Tiere in Heimen und Krankenhäusern
Hygiene - Wirklich ein Problem?
von Andreas Schwarzkopf
Das Bestreben der Vereine „Tiere helfen Menschen e.V.“ Würzburg und „Leben mit Tieren“, Berlin ist es, Heimbewohnern und kranken Menschen durch stundenweisen Kontakt mit Tieren eine zusätzliche Lebensfreude zu bereiten. Das häufigste und oft erste Argument gegen die Besuche mit Tieren sind „Hygieneprobleme“. Im Folgenden soll beleuchtet werden, auf welchen Tatsachen diese Bedenken beruhen und dazu beigetragen werden, solche Bedenken, wo sie unnötig sind, auszuräumen.
Zur gesundheitlichen Lage von Heimbewohnern und Rehabilitations- sowie Krankenhauspatienten
Generell muss davon ausgegangen werden, dass das Durchschnittsalter von Heimbewohnern bei Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern ansteigt. Damit verbunden ist, bedingt durch häufig vorhandene Grunderkrankungen, eine erhöhte Empfänglichkeit für Krankheitserreger aller Art, also auch für solche, die theoretisch durch Tiere eingeschleppt werden könnten. Eine vielleicht vorhandene Abwehrschwäche der Patienten und Heimbewohner muss bei einem Besuch mit Tieren also mit berücksichtigt werden. Erfahrungsgemäß sind aber ein Großteil der Bewohner von Pflegeeinrichtungen und sogar Krankenhauspatienten ausreichend abwehrstark, um Freude an einem Tier zu empfinden, ohne das ein erhöhtes Gesundheitsrisiko zu befürchten ist.
Rechtslage
Die Krankenhaushygiene ist in der Bundesrepublik sehr allgemein durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt und wird durch die „Richtlinien für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ des Robert-Koch-Institutes (RKI) präzisiert. In einigen Bundesländern sind darüber hinaus noch Krankenhausgesetze bzw. -verordnungen der Länder zu beachten, die jedoch in der Regel keine über die bereits genannten bundesweit gültigen Hygieneanforderungen hinausgehenden Maßnahmen enthalten. Zu beachten sind weiterhin die Biostoff-Verordnung und die ergänzenden technischen Regeln TRBA 250 und 400. Die 9/2005 erschienene RKI-Empfehlung „Infektionsprävention in Heimen“ befürwortet Tiere in diesen Einrichtungen.
Tiere im Krankenhaus
Auf Grund der Struktur der Krankenhäuser und der Notwendigkeit der Risikobewertung für einzelne Patienten sind die Möglichkeiten eines Besuchs mit Tieren im Krankenhaus derzeit oft noch stark eingeschränkt. Wegen der immer häufiger werdenden wissenschaftlich dokumentierten positiven Auswirkungen auf die Patienten wäre es erfreulich, wenn Besuche mit Tieren wenigstens auf Normalstationen für Kinder und Erwachsene möglich wäre. Hier ist sogar eine Tierhaltung auf der Station denkbar, z.B. eine „Stationskatze“.
Organisation der Therapie mit Tieren
Derzeit werden in der Bundesrepublik drei Formen von Tierkontakten in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes (EdG) durchgeführt:
1. „Besuchsdienst“:
Hier kommen die Tiere, die normalerweise in Haushalten leben, mit ihrem Besitzer stundenweise zu Besuch. Neben dem Tierkontakt entsteht dabei ein menschlicher Kontakt zum Besitzer.
2. Haltung
in der EdG und Betreuung durch Bewohner (Patienten) oder Personal z.B. als „Stationskatze“ in einer psychiatrischen Klinik. Manche Altenheime, lassen den Einzug von Bewohnern mit ihrem Tier zu.
3. Therapieformen mit Tieren,
Beispiel hierzu ist die Hippotherapie, aber auch „Tiere vom Bauernhof“, deren Betreuung gerne als Arbeitstherapie in Kliniken für psychisch Kranke eingesetzt wird. Tiere fungieren auch zunehmend als Co-Therapeuten in der Ergo- und Psychtherapie.
Einführungskriterien – eine Entscheidungshilfe
Zur Unterstützung der Entscheidung, ob und wie Tiere in eine EdG eingeführt werden, werden die folgenden Kriterien vorgeschlagen:
1. Zustand der Bewohner / Patienten
A) Immunkompetent
B) Im wesentlichen Immunkompetent, eingestellte chronische Erkrankungen, Mobilität erhalten bis eingeschränkt
C) Abwehr geschwächt, Mobilität stark eingeschränkt oder bettlägerig
D) Akut Kranke, Immunsuppression, Beatmete, Tracheostomierte, Allergien
2. Bauliche Situation
A) Besonderer Platz für Tier möglich, intakte Flächen und Inventar
B) Keine speziellen Räume für Tiere möglich, Altbau, Inventar nicht zu desinfizieren
3. Personal
A) Kooperativ, im Umgang mit Tieren geschult, Freistellung für Tierversorgung möglich
B) Kooperativ, keine Freistellung möglich
C) Nicht kooperativ
Bewertung
Tierhaltung kann versucht werden: 1 A-B, 2 A, 3 A
„Besuchsdienst“ ist anzustreben: 1 A-C, 2 B, 3 B
Tiere sollten nicht oder nach sorgfältiger Einzelfallprüfung eingesetzt werden: 1 D, 3 C
Hygieneplan
Wurde die Entscheidung für ein Tier getroffen, muss ein entsprechender Hygieneplan, der auch artspezifische Vorgaben zur Tierhaltung und –versorgung macht, erstellt werden. Beim Besuchsdienst kann Teil 1, 5 und 6 weggelassen werden, der Besitzer muss aber auf seine Pflichten hingewiesen werden. Die in der Einleitung genannten Vereine stellen geeignete Checklisten für die Anforderung an die Tiere zur Verfügung, die ursprünglich auf „Delta Society Standards of Practice in Animal-Assisted Activities and Therapy“ basieren.
Hygieneplan – ein Gliederungsvorschlag:
1. Allgemeine Anforderung, die das Tier stellt: Artgerechte Unterbringung, Futter, Pflege.
2. Impf- und Entwurmungskalender für das Tier.
3. Auflistung der Bewohner bzw. Patienten, die mit dem Tier Kontakt haben dürfen (Indikationen, Kontraindikationen).
4.Spektrum der durch das jeweilige Tier eventuell übertragbaren Erreger mit Gegenmaßnahmen (bei gesunden Tieren ist Reinigungsstandard ausreichend, „Pfoten = Schuhe“. Soll das Tier auf das Bett, muss eine geeignete textile Unterlage (Laken, Handtuch) den direkten Kontakt mit der Bettwäsche vermeiden.
5. Erforderliche Dokumentation
6. Anhang z.B. mit Genehmigungsschreiben von der Aufsichtsbehörde sowie Literaturstellen für besondere Hinweise und Hinweise auf Symptomatik von eventuell möglichen Zooanthroponosen.
Aufklärung von ärztlichem und Pflegepersonal
Für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen ist vom Gesetzgeber in §137 Sozialgesetzbuch V bzw. §80 SGB XI und Qualitätssicherungsgesetz in der Pflege festgelegt, dass eine Qualitätssicherung in der Pflege zu erfolgen hat. Diese beinhaltet auch Hygiene-Maßnahmen. Vorgaben der Berufsgenossenschaft zum Schutz des Personals vor Unfällen sind zu beachten. Somit muss vor Einführung von Tieren in therapeutische Konzepte Rücksprache mit dem Hygieniker sowie den Aufsichtsbehörden genommen und das Personal geschult und motiviert werden. Bewohner, Patienten und Angehörige müssen entsprechend aufgeklärt werden.
Mögliche Risiken durch Tiere in EdG
1. Infektionen und Ektoparasitosen
Auch gepflegte Haustiere können sich mit Bakterien, Pilzen und Parasiten kontaminieren. Dann erkranken sie oder geben asymptomatisch die Keime den Menschen weiter. Das Risiko ist jedoch sehr gering. Ektoparasitosen durch Flöhe und Läuse sind heute bei Mensch und Tier gut beherrschbar und stellen für sich alleine kein Argument gegen die Haltung von Tieren in EdG dar. Dies um so mehr, da die Flöhe und Läuse der Haustiere hier keine Vektorenfunktion für gefährliche Infektionskrankheiten haben. Dennoch muss dieses Risiko beim Entscheidungsprozess für die Einführung eines Tieres mit diskutiert und ggf. überkommene Bedenken ausgeräumt werden.
2. Allergien und Verschlechterung von allergischen Zuständen wie z.B. Asthma
Als Gesundheitsrisiko unabhängig von Infektionen ist das Auslösen oder Verschlimmern allergischer Reaktionen durch Tierhaare oder anderer tiergebundener Antigene zu berücksichtigen. In einer Studie mit über 25.000 Kindern im Alter von 12-14 Jahren aus Großbritannien wird das Risiko für respiratorische Symptome durch pelztragende Haustiere mit 5 %, vergleichsweise durch Passivrauchen mit 6,5 % angegeben. Für alte Menschen liegen dem Autor derzeit keine Daten vor. Ausgesprochen schwere allergische Reaktionen einzelner Bewohner müssen auch dann berücksichtigt werden, wenn der Tierkontakt abgelegen von den Hauptaufenthaltsräumen der EdG stattfindet und der direkte Kontakt der Betroffenen mit dem Tier vermieden wird. Eine Studie aus Schweden zeigt nämlich, dass die Allergene auch über die Kleidung weitergegeben werden. Hier muss entweder verzichtet oder auf eine andere Tierart ausgewichen werden. Tierhaarallergien und Allergien gegen tierassoziierte Substanzen sind bei der Auswahl von Haustieren und Tieren in der Therapie daher zu berücksichtigen. Nager sind hier häufiger problematisch als Hund und Katze oder größere Tiere.
3. Unfallgefahr
Der Umgang mit Tieren birgt ein Unfallrisiko durch Bisse oder Sturz über das Tier. Bei entsprechender Vorsicht ist das Risiko jedoch relativ gering: Nach einer Erhebung der Delta-Society (USA) kam es bei 10.000 Besuchsdienst-Einsätzen in EdG in 19 Fällen (1,9 Promille) zu einem Unfall, davon wiesen 2 (0,2 Promille) Unfallopfer Knochenbrüche auf.
In der Schweiz wurde eine Inzidenz an Biss- und Kratzverletzungen durch Haustiere von 325 / 100.000 Einwohner und Jahr abgeschätzt, von denen 60 % durch Hunde und 25 % durch Katzen verursacht waren. (Originalliteratur beim Verfasser)
RISIKODISKUSSION
Die durch Tiere übertragbaren Erreger führen auch bei älteren Menschen kaum regelmäßig zu klinisch bedrohlichen Infektionen und können, vielleicht mit der Ausnahme Pasteurella multocida, meist auf anderem Wege als Tierkontakt, z.B. über Lebensmittel erworben werden. Ein weiteres, statistisch derzeit nicht zu erfassendes Problem sind Kolonisationen, die auch zu einer Verschleppung von z.B. MRSA innerhalb einer EdG von Mensch zu Mensch über das Tier führen können. Tiergetriggerte Allergien, Asthma, Neurodermitis, Erkrankungen wie akute Infektionen, schwerer nicht eingestellter Diabetes, und Malignome stellen relative Kontraindikationen für den persönlichen Kontakt mit Tieren dar, hier ist jeder Einzelfall zu untersuchen und das individuelle Risiko gegen die erwartete Besserung der Psyche abzuwägen.
WANN KEINE TIERE?
Tierbesuch ist ungünstig bei akuten Erkrankungen und bei Infektion oder Besiedlung von Patienten oder Bewohnern mit multiresistenten Erregern. Tiere nicht in Bereiche bringen, in denen Lebensmittel hergestellt oder offen verteilt oder offen gelagert werden (EG 852/2004).
SCHLUSSFOLGERUNG UND ZUSAMMENFASSUNG
Tiere können eine wertvolle Ergänzung bestimmter Therapieformen darstellen. Mit einem klaren Konzept und entsprechendem Struktur- und Prozessstandard bleibt das Risiko kalkulierbar, auch wenn mehr Daten wünschenswert sind und vielleicht durch eine enge Zusammenarbeit von Hygienikern und Tierärzten gewonnen werden könnten. Zumindest geschlossene Aquarien mit Zierfischen können nahezu überall aufgestellt werden und die Menschen erfreuen.
Anhand einer Risikodiskussion und Prüfkriterien können Hygiene-beauftragte das Risiko des Einsatzes von Tieren im eigenen Heim, Pflegeheim, Klinik oder Kureinrichtung ermessen und gegen den zu erwartenden Nutzen abwägen. Gesunde, vollständig geimpfte und gepflegte Tiere geeigneten Charakters können zum Kontakt mit alten oder erkrankten Menschen nach entsprechender Schulung des Personals zugelassen werden. Relative Kontraindikationen sind Abwehr-Schwäche durch schwere Unfälle, Krebs, akute Erkrankungen, entgleister Diabetes aber auch Allergien, Asthma, Neurodermitis, hier sind Einzelfallentscheidungen erforderlich. Aus Gründen der Absicherung ist eine Rücksprache mit dem Hygieniker, den Aufsichtsbehörden und ggf. der Gewerbeaufsicht sinnvoll, bevor Tiere angeschafft oder zum Besuch zugelassen werden. In naher Zukunft sollen Muster-Hygienepläne für die einzelnen Tiergattungen aufgestellt und publiziert werden. Stand: 2006-03-01
Literaturhinweis: Gesundheitsberichterstattung der Bundesrepublik Deutschland (GBE), Heft 19 „Heimtierhaltung – Chancen und Risiken für die Gesundheit“, zu beziehen über www.rki.de/Gesundheitsberichterstattung
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