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tt-Texte  |  wissenschaftliche Texte
   


Der Hund im Einsatz in der Ergotherapie
von Petra-Kristin Petermann

Referat zum Thema "Tiergestützte Therapie"
anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins "Tiere helfen Menschen, e.V." in Würzburg, 1997

 

1. Einführung

In der ergotherapeutischen Praxis werden Menschen, haupsächlich Kinder im Alter von 3 bis 12 Jahren, mit sensorischen, motorischen, psychischen und/oder kognitiven Problemen therapiert.
Diese Bereiche stehen in Wechselwirkung untereinander: Menschen mit Störungen in der sensorischen Verarbeitung wie im Gleichgewichts- und Tastsinn zeigen oft auch psychische Auffälligkeiten.
Der Gleichgewichtssinn wirkt auf die seelische Ausgeglichenheit, der Muskelsinn auf die Bewegungsfreude (Muskelsinnstörungen äußern sich z.B. in vermehrtem Anstoßen und Stolpern, allgemeiner Ungeschicktheit, durch Greifen und versehentliches Fallenlassen von Gegenständen), der Tastsinn auf die Kontaktfähigkeit.
Die passende Zusammenarbeit unserer Sinnesqualitäten (sensorische Integration) bildet die Voraussetzung für adäquate Konzentration und Ausdauer.
So behindern sensorische Integrationsstörungen nicht nur Lernfähigkeit sondern insgesamt den Einsatz und das Nutzen der Intelligenz.

Wenn ein Mensch sich und seine Umwelt nicht so wahrnehmen kann wie die Menschen um ihn herum, rutscht dieser Mensch automatisch in eine Außenseiterrolle.
Er stolpert z. B. öfters als andere oder kann sich nicht so bewegen wie andere und ist womöglich im Leistungsvergleich nicht so schnell und effektiv wie ein gesunder Mensch.
Er spürt Tastqualitäten anders als andere und empfindet oft auch Berühren und Berührt-Werden anders. Treten kognitive Probleme auf, z.B. bei Konzentration und/oder dem Erinnern, kann er sich nicht gleichberechtigt an Unterhaltungen beteiligen.

Dies geht im sozial-emotionalen Bereich einher mit mangelndem Selbstwertgefühl, Mangel an Vertrauen, starken Ängsten und ihren Kompensationsmechanismen wie z.B. Aggression, Rückzug, sich zum Clown machen, etc.

 

 

2. Die Therapie mit dem Hund

Ein Hund kann maßgeblich dazu beitragen, positiv auf diese Störungen einzuwirken, wobei die günstigen Wirkungen ineinander übergehen.

 

2.1. Die Beobachtungsebene

Die Kontaktaufnahme mit dem Hund beginnt zuerst durch Beobachtung und den Aufbau von Vertrauen. Zu Anfang wird der Hund erst einmal mit den Augen wahrgenommen, seine Bewegungen werden verfolgt und es wird versucht, sie einzuschätzen. Fixieren und Verfolgen fällt Menschen mit Muskel- und Gleichgewichtsstörungen schwer. Besonders Kinder können das Verhalten von Hunden oft nicht einschätzen, weil sie einerseits die Körpersprache des Hundes nicht verstehen und durch ihre Integrationsproblematik andererseits ihren eigenen Körper und dessen Körpersprache oft nicht ausreichend spüren. Sie lernen in Beobachtung und Gespräch - auch über den Vergleich mit dem Hund - auf der bewußten und den unbewußten Ebenen ihren eigenen Körper und dessen Ausdrucksmöglichkeiten besser kennen.

Mit der intensiven vergleichenden Beobachtung und im begleitenden Gespräch, das sowohl Innehalten wie auch Konzentration erfordert, wird die Sprechbereitschaft und die Sprachfähigkeit des Kindes gefördert. Nach meinen Beobachtungen fällt es Kindern und Erwachsenen, die sich zu Hunden hingezogen fühlen, viel leichter, ihre Konzentration in einer Beschäftigung mit dem Hund aufrechtzuerhalten als in anderen Tätigkeiten.

Auch für den emotionalen Bereich ergeben sich durch die Beobachtung positive Auswirkungen.
Der Klient lernt z.B. Ängste einzugestehen, sie zu artikulieren und Lösungen dafür zu finden, wie er sich selbst im Zusammensein mit dem Hund wohlfühlen kann.
Es sind einfache Äußerungen wie z. B. "Nimm den Hund bitte weg!", "Der Hund soll auf der Decke sitzen, solange ich da bin!", "Die großen Zähne machen mir Angst", und andere, die wir registrieren.
Je nachdem lernt der Klient nach und nach, den Hund einzuschätzen. Er lernt auch zu unterscheiden, daß der Therapiehund vieles an Verhalten toleriert, was Hunde im öffentlichen Leben zu aggressiven Reaktionen verleiten könnte, z.B. den Hund an der Schnauze anzufassen oder am Schweif zu ziehen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Regeln für den Umgang mit dem Hund im Allgemeinen zu erklären und sie dem Klienten möglichst auch schriftlich auszuhändigen.
Der Austausch darüber, begleitet von Interaktionen mit dem Therapiehund,schaffen ein persönliches Kennenlernen dieses Hundes.
Es entsteht Nähe und Vertrauen.

 

Ein Fallbeispiel aus der Praxis:
In der Praxis wird ein kleiner Junge von 5 Jahren behandelt, der allgemein sehr ängstlich ist und sich in neuen Situationen hinter der Mutter verbirgt oder, wenn er angesprochen wird, den Kopf in seinen Pullover versteckt.
Um die Therapiehündin Kea machte er anfangs einen großen Bogen, nicht aber ohne sie neugierig aus der Ferne zu beobachten. In der Therapiesituation war er anfangs kaum bereit, eine Beziehung zur Therapeutin aufzubauen, er war wenig motiviert, schien kaum an einer Tätigkeit Gefallen zu finden. Meine Kollegin und ich arbeiteten dann so zusammen, daß der Junge immer zuschauen konnte, wenn andere Kinder mit Kea spielten.
Sei es, daß sie sie streichelten oder Tunnels bauten, durch die Kea sehr gerne läuft, mit ihr Beute zerrten oder am dicken Seil spielten. Wenn er sich völlig unbeobachtet glaubte oder ins Geschehen versunken war, lachte er begeistert. Sobald er aber bewußt merkte, wo er sich befand, versteckte er sich wieder in seinem Pullover. Während dieser Phase war er von einer Therapeutin betreut, die neben ihm saß und ihm alles erklärte, auch die Hundesprache. Der Junge wurde wiederholt befragt, ob sich Kea an einen bestimmten Platz setzten solle, er gab aber lange keine Antwort.
Nur anhand seiner Reaktion war zu ersehen, ob das eine oder andere von ihm positiv oder negativ empfunden wurde. Die erste Handlung für ihn war es dann, mit Hilfe der Therapeutin für Kea einen Tunnel zu bauen. Er konnte sich besonders dafür begeistern, wenn Kea durch den Tunnel lief. Inzwischen, nach ca. ½ Jahr, hat er sie auch gestreichelt. Es wird jedoch nicht jede Therapiestunde mit Kea gearbeitet; die Hündin gehört eher als Selbstverständlichkeit zur Praxis.
Kommt Kea und der Junge möchte mit ihr spielen, wird das gemacht. Möchte der Junge sie sehen, dann wird sie zuerst gestreichelt und gefragt, ob sie denn auch wolle. Kea möchte manchmal einfach auf ihrer Decke schlafen, was gerade ein Junge wie dieser dann sehr gut verstehen kann.

 

2.2. Die Kontaktebene

Eine günstige Basis für die weitere Arbeit mit solchen Klienten ist, daß der Kontakt mit dem Hund das Selbstwertgefühl des Kindes fördert. Es fühlt sich akzeptiert, geliebt:
Ein Wesen freut sich über den Kontakt ohne jede Einschränkung, der Hund ist geduldig, bleibt gerne da, geht auf den Klienten zu und reagiert positiv auf seine Ansprache.
Der/die Therapeut/in unterstützt die Begegnung begleitend durch Erklären des Hundeverhaltens, durch Zeigen und Erläutern der hundgeläufigen Kommandos bzw. durch das Geben von Anweisungen. Ist Nähe und Vertrauen über Beobachtung und Gespräch entstanden, wird in der Regel der Wunsch nach Berühren, Streicheln des Hundes laut. Selbst auf Klienten mit Tastsinnstörungen, die starke Berührungsängste haben, nicht gerne Anfassen und Angefaßt werden, übt der "lebende" Hund eine starke Streichelmotivation aus.
Ich habe des öfteren erlebt, daß diese Klienten, in diesem Fall Kinder, alles nur mit den Fingerspitzen berühren oder festhalten. Der Hund war die Ausnahme, er wurde mit der ganzen Hand gestreichelt.

Solche Menschen erleben das angstfreie Agieren mit dem Hund als Beginn eines Vertrauensverhältnisses. Mit einem solcherart gestärkten Selbstvertrauen steigt auch die Bereitschaft, sich auf weitere "Berührungen" einzulassen, sei es in Spiel- oder Hantiermöglichkeiten, im Kontakt mit anderen Kindern oder ganz allgemein im Kontakt mit der Umwelt.
Ein solches Kind hat ein Wesen aus seiner natürlichen Umwelt, das ganz anders geartet ist als es selber, kennengelernt, hat seine Sprache zu verstehen gelernt und ist nun in der Lage, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Es hat über Beobachtung, Vergleich, Erkennen und Reflektieren eine Kommunikationsebene gefunden.

Ein weiteres Beispiel aus der Praxis schildert ein scheues und vorsichtiges Mädchen, 6 Jahre alt, das anfangs in sichere Entfernung rannte, sobald die Hündin erschien.
Es wollte aber nicht, daß Kea weggeschickt wurde, sie sollte in der Therapie dabei sein. Ich fragte sie, was Kea tun solle, damit sich das Mädchen wohlfühle und zeigte ihr zunächst, welche Worte sie sagen mußte, wenn sich Kea, wie gewünscht, auf ihre Decke legen, dort bleiben und zuschauen sollte.
Ich erklärte ihr die "Hundesprache", (Schwanzwedeln ect.), und fügte hinzu, daß Kea nur bestimmte deutsche Worte versteht. Das Mädchen, eine Türkin, die selbst manchmal Verständnisschwierigkeiten im Deutschen hatte, faßte zusehends Vertrauen. Sie begann vorsichtige Streichelversuche, anfangs mit dem Bürstenhandschuh, später auch mit der bloßen Hand, allerdings weit weg von dem zähnebewehrten Maul, also ganz hinten am Rücken. Da Kea zu der Zeit viele Haare verlor, beschloß ich, diese wegzusaugen. So kam es zu der verblüffenden Reaktion, daß das Mädchen die Hündin, die große Angst vor dem Staubsauger hat, festhielt, streichelte (auch am "gefährlichen" Kopf) und sie tröstete, solange das Gerät in Arbeit war. Das Mädchen ging an diesem Tag stolz und glücklich über ihre neue Freundin nach Hause.

 

2.3. Die Ebene der Selbstaktivität

Nach der Kontaktaufnahme entsteht automatisch bei den meisten Klienten, besonders bei Kindern, das Bedürfnis mit dem Hund zu spielen. Im Unterschied zu jedem Spielzeug oder Werkmaterial ist der Hund aktiv und fordert eine Reaktion.
Das Interesse am Spiel flaut beim Hund bei geringer Motivation ebenso ab wie beim Menschen, d.h. der Hund ändert sein Verhalten in Relation zum Verhalten des Menschen. Ein Hund, besonders aber ein Therapiehund, der dahingehend geschult wird, paßt sich immer an.
Wird er nicht angesprochen oder auf sein Erscheinen hin nicht gestreichelt, dann zieht er sich auf seine Ruheplätze zurück. Wird er gestreichelt, läßt er dies gerne zu und dreht sich oft genüsslich nach allen Seiten. Wird ein Spielzeug geworfen und er aufgefordert, läuft er hin.

Das Spielen mit dem Hund erfordert ein hohes Maß an Motivation, Vorstellungskraft, Umsetzungsvermögen und Aktivität.

Ein Hund spielt mit einem Ball, Seil oder Stofftier nur dann gerne, wenn das Spielzeug sich wie Beute verhält. Was ist Beute? Menschen, die mit dem Hund spielen, müssen sich zuerst vorstellen, welche Beute ein ehemaliger Wolf bevorzugt. Meist sind es sich schnell bewegende, vor dem "Wolf" fliehende Tiere z.B. Kaninchen, Mäuse, Vögel etc.

Der nächste Schritt ist, die schnelle Bewegung der Beute mit Hand, Arm und Ganzkörperbewegungen nachzuahmen bis hin zur großräumigen Flucht der Beute, d.h. das Beutespielzeug wird weit weg vom Hund geworfen.

All dies erfordert eine hohe Koordinationsleistung:

- den Hund im Blick haben
- seine Reaktion wahrnehmen, einschätzen und darauf reagieren
- in schnellen Bewegungsabfolgen die Beute über den Boden

  hüpfen lassen bei gleichzeitigem Ortswechsel
- das Spielzeug schnell verstecken und wieder hervorholen (hinter

  dem Bein, Rücken etc.), was Körperschema und räumliche

  Wahrnehmung erfordert
- zielgerichtetes Werfen ohne den Hund zu treffen, obwohl dieser

  gleichzeitig im Blick bleiben muß.

  Rennt der Hund dann zur Beute, muß der Spielende in seiner

  Rollenvorstellung sofort umschalten auf den "Mitwolf", der dem

  anderen "Wolf" die Beute streitig macht.

  Auch darin gibt es Variationen:

- dem Hund hinterherrennen und die Beute zu fangen versuchen
- die Beute festhalten und zerren
- gegenseitiges Belauern und blitzschnelles Packen der Beute

 

Zudem sind noch weitere Anforderungen zu erwähnen, wie z. B. das Erklären der Spielregeln:

Das Seil oder den Ball in eine vom Hund sehbare Richtung werfen und die erlernten Kommandos merken wie: "nimm" - "bring" - "gib" - "aus" - "nein" - "hier" - "sitz" - "platz" etc.
Dies schult das Gedächtnis.

 

Außerdem lernt der Klient im Spiel mit dem Hund, daß für jedes Miteinander Regeln gelten, um das gemeinsame Erleben für alle zur angenehmen Erfahrung werden zu lassen.
Werden die Regeln nicht eingehalten, dann hat dies die Konsequenz, daß die Gemeinsamkeit auseinanderfällt, hier daß das gemeinsame Spiel nicht mehr möglich ist.

Durch das Miteinander im Spiel baut sich automatisch ein Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Tier/Spielpartner auf.
Das gilt auch für Situationen in denen der Hund zufällig präsent ist. Erscheint der Hund z.B. im Therapieraum, in dem gerade Rollbrett gefahren wird, wird er viel achtsamer umfahren als jedes gegenständliche Hindernis.

Die Klienten lernen auch, sich auf den Hund als einen Spielpartner mit eigenen Bedürfnissen einzustellen (Hund geht weg). Auch können sie dem Hund gegenüber eigene Bedürfnisse ausdrücken, die vom Hund akzeptiert werden müssen (z.B. das Kind hat keine Lust mehr).
So können eigene Grenzen ebenso wie die des Hundes erfahrbar werden, sowohl im emotionalen wie auch im Körperwahrnehmungsbereich (z.B. paßt der Hund durch den Tunnel hindurch? paßt das Kind hindurch?). Wenn sich der Hund zurückzieht, zeigt er sein Ruhebedürfnis, das muß der Klient akzeptieren. Er lernt dadurch auch, auf sein eigenes Ruhebedürfnis zu achten und es auszudrücken. So wird über den Hund das Erlernen von kooperativem Verhalten angebahnt.

Gezielte Förderung einzelner Sinnesbereiche wird für den Tastsinn möglich durch bewußtes Streicheln der Ohren - weich, des Rückens - rauher, der Füße und Krallen - sehr rauh/hart, des Bauches - weich, der Nase - naß und kalt.
Der Muskelsinn wird durch Druck und Zug verbessert, etwa durch Zerrspiele am Seil; sie bereiten besonders Kindern große Freude. Dabei nicht umzufallen, übt das Gleichgewicht.

Am Beispiel aus der Praxis wird deutlich, daß nicht alle Ebenen, die in der Therapie mit der Hündin möglich sind, auf einmal wirken: So möchte ich hier einen Jungen im Alter von 8 Jahren als Beispiel anführen, der besonders durch seine Übermotorik, durch Gleichgewichtsproblematik und durch seine mangelnde Regelakzeptanz und Kooperationsbereitschaft im psychischen Bereich auffiel.
Er spielte am liebsten das, was er selber vorgab und dirigiert gegebenenfalls auch andere. In der Arbeit mit der Hündin gefiel ihm die Möglichkeit, Kea herumkommandieren zu können besonders. Kea führte aber nur aus, was er wünschte, wenn er sich seinerseits an die Kea bekannten Regeln und Kommandos hielt. So war die Erfahrung im Spiel mit Kea, sei es, sie durch gebaute Tunnels zu schicken oder Zerren am Seil zu spielen, für den Jungen ein hoher Anspruch an Kooperationsbereitschaft, er wurde gefordert, sich auf die Hündin einzustellen, mußte Kommandos erlernen, sie sich merken und passend umsetzen, ohne in Hektik und Ungeduld zu geraten.
Kea legt ansonsten fragend die Ohren nach hinten und verläßt gegebenenfalls wedelnd den Schauplatz, um sich bei mir nach klareren Anweisungen zu erkundigen oder einfach aus dem Zimmer zu gehen.

 

2.4. Die Ebene der komplexen Aktion

Als Steigerung der bisher erlernten Fähigkeiten gibt es eine weitere Einsatzmöglichkeit des Hundes in der Ergotherapiepraxis:
das "Agility-Training". Grundvoraussetzung dafür ist eine bereits bestehende vertraute Basis zwischen Klient und Hund. Außerdem muß der Hund bereits trainiert sein.

Agility ist eine Sportart, bei der der Hund, durch Stimme und Handzeichen vom Hundeführer dirigiert, verschiedene Hindernisse (Reifen, Tunnel, Hürden, Laufsteg, Wand etc.) in vorgegebener Reihenfolge und auf Zeit überwindet. Der Hundeführer darf weder den Hund noch die Hindernisse berühren.

Je nach Alter und Befähigung des Klienten können in der Ergotherapiepraxis einzelne oder mehrere Hindernisse aufgebaut werden, bis hin zum umfassenden Parcour.
Das Aufbauen der Hindernisse erfordert neben der Fähigkeit, eine Handlung zu planen, Figur-Grund-Wahrnehmung, seriale Leistung und räumliches Lage- und Beziehungsvermögen. Zum Führen des Hundes benötigt man Aufmerksamkeit, Konzentration, sowie Geduld und Einfühlungsvermögen.
Weitere Erfordernisse sind schnelles Zurufen der passenden Befehle -z.B. "Tunnel durch", Zeigen mit der dem Hund nahen Hand, räumliche Einordnung - "Wie stehe ich zum Hund? Zum Hindernis? Wie bewege ich mich richtig, um dem Hund die Richtung passend zu weisen?"

Für Klienten, die räumliche, strukturelle und/oder seriale Probleme haben, ist dies eine sehr hohe Anforderung.

Alle Klienten gehen mit gestärktem Selbstwert und dem Gefühl von Befähigung aus solchen Stunden. Für solche Klienten bedeutet die Bewältigung dieser komplexen Anforderungen ein hohes Maß an Kompetenzerfahrung.

Ein Beispiel hierfür aus der Praxis ist eine 10-jährige Klientin, die im Praxisgeschehen, sowie allgemein im "Außen" in keiner Weise auffällt. In der Schule konnte sie im Laufe der Therapie ihre aufgrund von Muskelsinn-Wahrnehmungsschwächen entstandenen Raumsinn- und Zahlenraumschwierigkeiten größtenteils ausgleichen.
Zu Hause fielen wiederholt Struktur- und Konzentrationsprobleme auf und daraus begründet eine mangelnde Selbstordnung, Unausgeglichenheit, bzw. Selbstwertkompensationen über "Geschichten erzählen", d.h. verfälschtes Umdeuten von Situationen.
Das Mädchen und Kea hatten von Anfang an einen sehr starken Bezug zueinander. Kea lernte mit Hilfe des Mädchens und mir, beängstigende Hindernisse wie eine große Brettschaukel zu meistern. Über die Motivation "Hund" gelang es der 10-jährigen wesentlich besser, sich zu konzentrieren und strukturiert zu arbeiten. Die Anforderungen an das Mädchen wurden dabei langsam gesteigert, angefangen vom gemeinsamen Erarbeiten einzelner Hindernisse über einige Kombinationen bis zum selbständigen Aufbau eines ganzen Parcours. Hierbei wurden anfangs die räumlich-konstruktiven Schwierigkeiten des Mädchens wieder deutlich, aber mit Hilfe zur Selbsthilfe von therapeutischer Seite wurden sie gemeistert. Für dieses Mädchen wurde die hohe Kompetenzerfahrung über das Training mit dem Hund das Mittel der Wahl zum Ausgleich ihrer Schwäche.

Zuletzt möchte ich betonen, daß sich günstige Aspekte für die Therapie mit dem Hund nur bei den Menschen, bei denen eine positive Beziehung zwischen Mensch und Tier besteht, ergeben. Der Hund wird in der Praxis nicht gezielt zum Einsatz gebracht, sondern lebt als eine Selbstverständlichkeit mit. Daraus ergeben sich dann je nach Bedürfnis der Klienten oder des Hundes gemeinsame Interaktionen - oder auch nicht.

So kommt der Therapiehund sicher nicht bei jedem Klienten zum Einsatz, was auch dem Ruhe- und Schlafbedürfnis des Hundes zuwiderlaufen würde (ein Hund braucht 18 Stunden Schlaf pro Tag in unterschiedlichen Intervallen).
Viele Menschen lockert und heitert die einfache Anwesenheit des Hundes auf; er schafft dadurch eine Atmosphäre häuslicher Wohnlichkeit und Vertrautheit. Eine solche Atmosphäre beeinflußt nicht nur die Therapie allgemein, sondern wirkt auf alle, auf Therapeuten und Angehörige der Klienten angenehm, lockernd und positiv.

 

 


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