Buffy in der Tagespflege
von Dagmar Griffiths
Referat zum Thema "Tiergestützte Therapie"
anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins "Tiere helfen Menschen, e.V." in Würzburg, 1997
So hat es angefangen...
Wenn ich heute jeden Morgen pünktlich um 6 Uhr früh von einer nassen Hundeschnauze sanft geweckt werde und ein ungeduldiger Hund es nicht erwarten kann, so schnell wie möglich in die Arbeit zu fahren, dann überlege ich mir oft, wie das alles eigentlich angefangen hat.
Vor ungefähr vier Jahren hörte ich von einer befreundeten Diplom-Psychologin, daß in Erlangen eine Regionalgruppe der Organisation "Tiere helfen Menschen" gegründet werden sollte und Prof. Olbrich noch liebe sanfte Hunde und genau solche Menschen suchte für den Besuchsdienst in Altenheimen und im Bezirkskrankenhaus (BKH). Damals war ich Hobbyzüchterin (Labrador-Retriever) und hatte außerdem gerade eine Zweit-Ausbildung als Altenpflegerin begonnen.
Als ich dann zusammen mit Frau Kleinert und den Labradordamen Alice und Buffy den Besuchsdienst im BKH auf der geschlossenen Station begann, beeindruckte mich die Reaktion der psychisch kranken Menschen dermaßen, daß ich mir insgeheim wünschte, später einmal, nach Beendigung der Ausbildung, meinen Hund an meinen zukünftigen Arbeitsplatz mitnehmen zu können.
Besonders beeindruckt war ich damals von einer alten Dame, die mit über 20 Katzen in einem Gartenhäuschen gelebt hatte. Sie kam auf die Station, weil Nachbarn sie angezeigt hatten und sie sich gewehrt hatte, als man ihr die Katzen wegnahm.
Nie werde ich vergessen, wie sie weinend hereingebracht wurde und wir ihr Blick plötzlich auf die Hunde fiel und sie ganz ungläubig schaute. Dann kam sie zu uns herüber und sagte: "Wenn auf dieser Station Hunde erlaubt sind, kann es ja hier nicht so schlimm sein, dann will ich mich also doch behandeln lassen!"
In die Arbeit mit meinem Hund
Beim Arbeiter-Samariter-Bund in Erlangen, in der Tagespflege für Senioren, Daimler-Str. 44, wurden schließlich meine Träume wahr und ich durfte meine Hündin Buffy mit in die Arbeit nehmen.
Das war ein großes Glück, welches ich nur der großen Toleranz und Offenheit unseres Geschäftsführers, Herrn Roth, und meiner Chefin, Frau Sabine Steuck, zu verdanken habe.
Wir betreuen in unserer Tagespflege Senioren mit den verschiedensten Krankheitsbildern, z.B. Demenz, Morbus Alzheimer, Parkinson, Zustand nach Apoplex etc.
Es sind aber auch einige hochbetagte Senioren bei uns, die geistig und körperlich noch fit sind.
Unsere Senioren leben zum Teil bei Ihren Angehörigen, zum Teil aber auch ganz allein auf sich gestellt in der eigenen Wohnung. Die Tagespflege trägt dazu bei, die Angehörigen zu entlasten, aber auch die übergroße Einsamkeit mancher alter Menschen zu lindern und wieder Wärme und Lachen in ihr Leben zu bringen.
In diesem Sinne ist die Tagespflege eine Alternative zum Altenheim. Der alte Mensch behält seine Würde, bleibt selbstbestimmt, wohnt noch in den eigenen vier Wänden oder bei seinen Angehörigen und wird trotzdem gut versorgt und gepflegt.
Er sieht dann wieder einen Sinn im Leben, weil er ernst genommen und mit Respekt behandelt wird.
Ein Tagesablauf
Am besten schildere ich Ihnen einmal, wie so ein Tag bei uns abläuft...
Dazu muß ich aber erst den Cairn-Terrier Felix vorstellen, den Hund meiner Chefin, der schon als Welpe in die Tagespflege kam. Buffy hat ihn als Sohn adoptiert und er darf sogar aus ihrer Schüssel fressen.
Eigentlich geht es bei uns wie in einer großen Familie zu. Um 9 Uhr werden die ersten Gäste gebracht und Buffy rennt hinaus, um jeden Einzelnen zu begrüßen.
Dabei wird sie oft angesprochen, ob ein Hundekuchen in der Tasche ist, daß sie ein lieber Hund sei oder auch: "Schauen Sie mal, ein Hund begrüßt mich!".
Sie hat auch viele Namen, z.B. Susi, Hansala, Senta, Mucki, je nachdem wie die Hunde der Kindheit alle hießen.
Beim anschließenden gemütlichen Frühstück sitzen die beiden Hunde mit hypnotischem Blick vor irgendeinem Stuhl und hoffen, daß zumindest ein paar Krümel herabfallen. Es herrscht Fütterverbot aber trotzdem öffnen sich des öfteren heimlich Handtaschen, und es wird gefüttert und geflüstert.
Nach der medizinischen Versorgung beginnt um etwa 10.30 Uhr unsere Morgenrunde. Wir machen Gymnastik, Gedächtnistraining, basteln oder malen, backen Kuchen oder singen und musizieren etc.
Plötzlich stürmen dann in einer wilden Jagd die Hunde herein und bringen noch mehr Leben in die Bude.
Sie legen sich oft mitten in den Stuhlkreis und spielen stundenlang. Sofort wenden sich natürlich alle den Hunden zu. Kindheitserlebnisse werden ausgetauscht.
Eine Dame, die sonst wenig spricht und unter einer Demenz leidet, erinnerte sich plötzlich an ihren Pudel Blacky.
Sie erzählt, daß er immer im Bett bei ihr schlief, obwohl es die Mutter streng verboten hatte - er kuschelte sich unter die Bettdecke und machte dann keinen Mucks mehr.
Oder der Erlanger Papagei, der so gerne Filme im Fernsehen ansah und dann immer rief: "Ich heiße Jakob und wohne in Blankenese!".
Nach dem Mittagessen und dem Mittagsschlaf haben wir noch einmal ein buntes Beschäftigungsprogramm. Mit einem Kaffeekränzchen schließt der Tag ab. Unsere Senioren werden gegen 16 Uhr nach Hause gebracht.
Durch unsere Hunde wird das Haus noch mehr zur Heimat für unsere Senioren. Man muß bedenken, daß sie ja bei uns ihren Lebensabend verbringen und das sollte doch so angenehm, gemütlich und harmonisch wir möglich geschehen.
In unserer Tagespflege arbeitet ein Team mit Herz und ich möchte betonen, es sind immer die Pflegekräfte, die in der Betreuung alter Menschen ein besonderes Feingefühl brauchen. Es geht darum, die Würde des alten Menschen zu erhalten, ihn nach wie vor ernst zu nehmen, ihm zuzuhören, Zeit zu haben, auch einmal eine halbe Stunde nur für ihn dazusein... und als Zugabe dann die Hunde.
Wir setzen die Hunde nicht in der Therapie ein, denn die Hunde sind "die Therapie" - sie sind die Gemütlichkeitsmacher! Wie sie so im Sessel laut schnarchen, sich stundenlang streicheln lassen, schmelzende Blicke auf gewisse Handtaschen aussenden, beim Spaziergang dabei sind und dabei von Rollstuhlfahrern an der Leine geführt werden, für Gelächter sorgen, z.B. Felix, der immer wieder die Plastikente aus dem Gartenteich retten wollte, bis er schließlich selbst hineinfiel.
Er macht auch immer säuberlichst alle Schuhbänder auf und sorgt dadurch für einen lustigen Tumult unter dem Tisch.
Kleiner Vergleich Besuchsprogramm - Hund immer dabei
Aus meiner Erfahrung mit dem Besuchsprogramm kann ich Ihnen mitteilen, daß es ein großer Unterschied ist, wenn der Hund einfach immer dabei ist.
Beim einmaligen Besuch einer/s Seniorin/en pro Woche ist der Hund immer die Attraktion und etwas Besonderes. Er hilft den alten Menschen ja auch, ihre übergroße Einsamkeit einmal für wenige Stunden zu vergessen, und sie freuen sich deshalb die ganze Woche auf ihn.
Wenn der Hund immer dabei ist, gewöhnen sich die Senioren so an ihn, daß es ihnen nur auffällt, wenn er einmal nicht mitgekommen ist. Dann fragen alle sofort: "Wo ist denn heute der Hund?". Buffy weiß genau, wer in die Tagespflege gehört und wer nicht. Ein neuer Arzt z.B. wird sofort angebellt.
Viele Senioren kommen nur einmal in der Woche, doch auch diese werden begrüßt, denn Buffy macht keine Unterschiede. Manche Senioren bauen aber eine engere Beziehung zu ihr auf - teils auch wegen der geheimnisvollen Geräusche aus den Handtaschen.
Buffy bewegt sich völlig frei im Haus - mal ist sie in der oberen Gruppe, mal im Garten, mal in der unteren Gruppe oder sie schläft im Büro bei den Chefinnen, wo sich Felix auch meistens aufhält. Er läßt sich so gut als Kopfkissen benutzen.
Ich kann in Ruhe arbeiten und muß nicht nach ihr Ausschau halten. Meine anfänglichen Bedenken, daß vielleicht jemand über sie stolpern könnte, waren unnötig. Sie bleibt liegen, wenn jemand über sie steigt und bewegt sich erst auf Zuruf.
Es macht Spaß mit Buffy und Felix zu arbeiten. Sie, die ältere Dame mit Erfahrung und Verstand und er, der Lausbub mit den außergewöhnlichen Ideen und jeder Menge Unsinn im Kopf.
Schlußwort
Zum Schluß möchte ich noch ein wenig für die alten Menschen in unserer Gesellschaft sprechen. Unsere Welt wird immer kälter, wir brauchen mehr Liebe in den Heimen, etwas mehr Wärme und Gefühl und sicher auch mehr Personal.
Es muß mehr Zeit für den Einzelnen da sein, nicht nur gute Pflege, auch für Beschäftigung und Spaß muß gesorgt werden. Das Heim soll wirklich zur Heimat werden, wenn es in unserer Gesellschaft für manche Senioren schon keine andere Alternativen gibt.
Die alten Menschen sollen mit Würde ihren Lebensabend genießen dürfen, denn sie haben davor ein langes Leben mit allen Freuden und Leiden gelebt.
Unsere Hunde tragen sicher ihren Teil dazu bei, daß die alten Menschen sich freuen dürfen wenn sie stürmisch begrüßt werden oder in treue, liebe Hundeaugen blicken können.
Der Stups mit der Schnauze heißt "Ich liebe Dich", und das warme, weiche Fell läßt sich so schön streicheln.
Trotzdem ist vor allem der Mensch gefragt.
Wenn wir etwas an dieser schnelllebigen Gesellschaft ändern wollen, dann möchte ich Sie bitten: "Laßt uns von den Tieren lernen".
Es wird uns dann nicht schwer fallen, noch menschlicher zueinander zu sein.
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